Gefühle zulassen – Wie du dein Kind in seinen Gefühlen begleiten kannst
Wie können wir unsere Kinder liebevoll begleiten, wenn unangenehme Gefühle hochkommen? Wie gehen wir kompetent mit Wut, Ärger und Trauer bei unserem Kind um? Für den Fall, dass du den Beitrag nicht lesen magst, kannst du auch hier direkt meinen Podcast zum Thema anhören.
Gesellschaftlich ist es nicht üblich in der Öffentlichkeit negative Gefühle wie Wut oder Ärger zu zeigen. Das merken wir schon daran, wie unangenehm uns das ist, wenn unser Kind in der Öffentlichkeit einen Wutanfall hat. So ein Anfall im Supermarkt kann manch Einen schon mal vor Scham in den Boden versinken lassen. Schneller als üblich greifen wir dann möglicherweise zu Methoden, um das Kind schnellstmöglich zu beruhigen. Um ja nicht aufzufallen. Was könnten denn die Anderen denken? Dass ich mein Kind nicht im Griff habe?
Auch diese Glaubenssätze wären es wert einmal hinterfragt zu werden. Doch das soll heute nicht Thema sein. Vielmehr möchte ich mich darauf konzentrieren, wie wir damit umgehen, wenn solch unangenehme Gefühle hochkommen. In seltenen Ausnahmesituationen, wie z.B. dem Wutanfall im Supermarkt, ist es bestimmt nicht schädlich das wütende Kind auch mal abzulenken. Doch welche Konsequenzen kann es haben, wenn den Gefühlen regelmäßig nicht die angemessene Beachtung zukommt?
Wie ich bereits in meiner letzten Folge 6 „Wie auch Du die Welt retten kannst: Lade mehr Weiblichkeit in Dein Leben ein“ beschrieben habe, bin ich der Meinung, dass unsere Kinder die Emotionen nicht aufstauen sollten. Das heißt, wenn sich unangenehme Gefühle zeigen, dann dürfen wir den Kindern den Raum geben diese Emotionen zu fühlen. Wir lenken als Elternteil unsere Kinder nicht ab und sagen ihnen auch nicht, dass sie sich zusammenreißen sollen.
Stattdessen können wir versuchen uns trotz des ganzen Alltagstrubels die Zeit zu nehmen, um präsent im Augenblick mit dem Kind zu bleiben. Für ein paar Minuten einfach da sein und das Kind in seinen Gefühlen bestätigen. Oft reicht es an dieser Stelle schon aus, dass wir bestätigende Sätze verwenden wie „Ich sehe, du bist wütend“, dann bestätigt das Kind mit „ja“, schreit noch schnell all die Verärgerungen raus, die es empfindet und ist wenige Augenblicke schon ruhiger. Und ggf. viel offener für Lösungsvorschläge erwachsener Personen, falls es überhaupt einer Hilfe von Außen bedarf.
Ich verwende z.B. auch keine Redewendungen wie „Ist doch nicht so schlimm“, wenn eins meiner Kinder sich weh getan hat. Dieses „Ist doch nicht so schlimm“ ist eine Leugnung des eigenen Schmerzempfindens des Kindes und auch seiner Gefühle. Für das Kind ist es gerade schlimm in diesem Moment. Es bricht vielleicht gerade eine Welt zusammen, obwohl wir als Erwachsene dieses Problem als nichtig betrachten. Und wenn das Kind in den ersten Lebensjahren ständig gesagt bekommt, dass etwas nicht so schlimm ist, obwohl es diese Situation aber gerade als schlimm empfindet, dann lernt es doch unweigerlich, dass es selbst nicht kompetent genug ist, auf das eigene Gefühl zu hören oder sich selbst zu vertrauen. Kein Wunder, wenn im Erwachsenenalter dann kaum jemand weiß, wie er seine Gefühle zulassen kann. Oder wie man lernen kann ins Vertrauen zu kommen oder sich selbst zu lieben.
Und noch ein Aspekt ist mir wichtig: Wenn unsere Kinder ihre Gefühle nicht von Anfang bis Ende durchleben dürfen, lernen sie nicht, sich in ihren Gefühlsprozessen selbst zu halten. Sie lernen nicht, wie es ist selbst für sich da zu sein, sich selbst den Raum zu geben und sich selbst die Person zu sein, die einfach da ist. Schlussendlich lernen unsere Kinder durch Nachahmung. Doch wie sollen sie es nachahmen, einen Gefühlsprozess bei sich selbst zu begleiten, wenn keiner in den ersten Lebensjahren da ist, der den Gefühlsprozess kompetent begleitet und es somit vorlebt?
Kompetent begleiten heißt für mich:
- Gefühle erst nehmen
- Gefühlen Raum geben und sie da sein lassen
- sich nicht gegen die jetzigen Gefühle wehren. Es ist okay, dass sie da sind.
- Sich die Zeit nehmen sie zu fühlen
- sich fragen: Wie kann ich den Gefühlsfluss unterstützen? (z.B. Tränen zulassen, ins Kissen schreien oder boxen)
Das können wir mit unseren Kindern zusammen üben und ihnen vorleben, indem wir mit unseren Gefühlen auch so oder in der individuell passenden Form umgehen. Ich sage ja nicht, dass du es genau so machen sollst. Es ist lediglich eine Inspiration, damit wir selbst wieder ins Fühlen kommen und so unsere Kinder entsprechend begleiten können.
Ich weiß natürlich auch, dass es nicht immer einfach ist, den Kindern den erforderlichen Raum für ihre Gefühle zu bieten. Nicht unbedingt deshalb, weil wie uns ständig in der Supermarktsituation oder ähnlichem befinden, sondern, weil wir uns selbst genau in diesen emotionalen Situationen der Kinder total erschöpft, gestresst und überfordert fühlen. Oft haben wir einfach selbst nicht die Kraft, auch noch für jemanden anderes den Raum zu halten. An dieser Stelle möchte ich dir gerne drei Impulse mit auf den Weg geben, um in solchen Konstellationen besseres Verständnis zu entwickeln.
1. Dein Kind als Spiegel
Immer wieder fällt mir auf, dass Wutanfälle oder ähnlich intensive Gefühlsausbrüche nur dann geschehen, wenn wir als Erwachsene auch gerade innerlich angespannt sind. Unsere Kinder spiegeln uns sofort unseren eigenen innerlichen Stress. Zusätzlich zu unseren eigenen unangenehmen Gefühlen, denen wir im Alltagsstress keinen Raum geben können/wollen, gesellen sich ganz schnell die Ausbrüche der Kinder. Das ist dann doppelter Stress für uns. Es fällt uns genau dann verständlicherweise nicht leicht auch noch liebevoll für unser Kind da zu sein. Mittlerweile bemerke ich schon relativ fix, dass die Wut, die Unruhe oder das Überdrehen meiner Kinder meinen eigenen inneren Stress widerspiegeln. Ich sage ihnen dann auch, dass meine eigene Wut nichts mit ihnen zu tun hat. Und für uns alle ist klar: Jeder darf mal schlechte Laune haben. Das ist okay.
Wenn ich mir diese Zusammenhänge klar mache, entschärft sich die Situation oft schon schnell wieder. Es bringt auch einfach nichts, wenn wir dem wütenden Kind mit unserer eigenen Wut begegnen. Die Situation verschlimmert sich weiter, im Endeffekt schreien sich alle gegenseitig an und schieben sich gegenseitig die Schuld zu. So lernt das Kind erst recht nicht, Eigenverantwortung für sich zu übernehmen und bei sich zu bleiben. Das lernt es nur, wenn wir es ihm so vorleben.
2. In die eigene Klarheit kommen
Könnte es vielleicht auch sein, dass du in deiner Entscheidung nicht klar genug bist und deshalb dein Kind gerade mit einem Gefühlsausbruch reagiert? Wenn wir in bestimmten Situationen unsicher sind und nicht so richtig wissen, was nun gerade das Richtige ist oder wie wir uns entscheiden sollen, spüren unsere Kinder genau diese Unsicherheit. Und spiegeln diese ebenso wie unsere eigene Wut oder unseren eigenen Stress. Wenn es für mich als „Leitwolf“ (á la Jesper Juul) dran ist eine Entscheidung zu treffen, die auch meine Kinder betrifft, dann treffe ich diese mit innerer Klarheit. Dieser Entscheidung wird dann nicht nur durch Worte Ausdruck verliehen, sondern auch mit der entsprechenden Energie bzw. inneren Haltung. Natürlich gelingt mir das auch nicht immer. Schon alleine deshalb nicht, weil ich zum Teil auch gar nicht wahrgenommen habe, dass ich innerlich bezüglich dieser Entscheidung unsicher bin. Auch da hilft wieder Achtsamkeit und regelmäßiges in sich Hineinspüren.
3. Bedürfnisse des Kindes
Natürlich kannst du auch mega entspannt und klar in deinen Entscheidungen sein und dein Kind hat trotzdem Wutanfälle oder andere emotionale Tiefs. In so einer Konstellation fällt es uns natürlich viel einfacher die Gefühle des Kindes zu begleiten. Trotzdem können wir uns fragen: Welches Bedürfnis steht hinter dem Gefühlsausbruch? Ist es gerade dran, dass das Gefühl Raum bekommt? Oder stehen da noch andere Bedürfnisse hinter? Braucht das Kind Aufmerksamkeit? Ist es müde oder durstig? Hat es schon den ganzen Tag kooperiert und kann jetzt einfach nicht mehr? Wenn du das Grundbedürfnis erkannt hast, lassen sich solche Situationen auch viel einfacher entschärfen.
Schreib mir doch gerne in die Kommentare, wie du deine Kinder beim Fühlen begleitest und wie du mit den Wutanfällen deiner Kinder umgehst. Das interessiert mich sehr 🙂
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