Eine Belohnung für dein Kind – Über die Sinnhaftigkeit von Belohnungen und Bestrafungen
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Sorry, aber hier gibt es keine Tipps, wie du dein Kind belohnen kannst. Ich halte nichts von Belohnungen und Bestrafungen. Und auch nichts davon, das eigene Kind dazu anzuhalten artig, lieb oder brav zu sein. Das sind für mich alles Strategien, die dazu führen, dass ich meinem Kind nicht auf Augenhöhe begegne. Genauso wenig mag ich den Begriff „Erziehung“ verwenden. Dieses Wort beinhaltet quasi schon die Voraussetzung, dass mein Kind, so wie es ist, nicht in Ordnung ist. Dass es erst nach meinen Vorstellungen verändert werden muss, bevor es gut so ist, wie es ist. Und so können WIR, die zum Großteil erzogen anstatt begleitet wurden, einmal in uns hinein spüren, wie es sich anfühlt, wenn wir zu uns sagen: „So wie ich bin, bin ich vollkommen in Ordnung.“ Die meisten von uns spüren vielleicht, dass sich diese Aussage (noch) nicht richtig anfühlt.
Und so lege ich besonderen Wert darauf, dass meine Kinder sich von Anfang an wertvoll und gut genug fühlen. Deshalb ist für mich ein wesentlicher Bestandteil meiner Begleitung (anstatt Erziehung), dass ich ihnen nicht von oben herab begegne und mit Manipulationstechniken, wie Belohnungen und Bestrafungen, drohe. Das schließt für mich auch nicht aus, dass ich als Erwachsene in gewissen Situationen Grenzen setzen und wichtige Entscheidungen treffen muss.
Natürlich freue ich mich auch darüber, wenn meine Kinder mit mir kooperieren und wir im Alltag nicht ständig alles ausdiskutieren müssen bevor dann z.B. der Schlafanzug ausgezogen und die Tageskleidung angezogen wird. Doch grundsätzlich bin ich der Meinung, dass unsere Kinder auch gerne kooperieren wollen. Und wenn sie es nicht tun, dann hat das einen ganz bestimmten Grund. Ich frage mich in diesen Situationen dann:
Welches Grundbedürfnis von meinen Kindern ist gerade nicht erfüllt?
Haben sie Hunger oder Durst?
Sind sie müde oder überreizt?
Sind sie verärgert und brauchen sie Begleitung in ihren Gefühlen?
Haben sie schon den ganzen Tag kooperiert und können deshalb nicht mehr kooperieren, weil „ihr Fass erst wieder aufgefüllt werden muss“?
Was aber auch sein kann:
Was spiegeln mir meine Kinder, wenn sie nicht kooperieren?
- Bin ich diejenige, die gerade gereizt, müde, gestresst, nervös, genervt ist?
Dann werden mir die Kinder genau diese Unausgeglichenheiten widerspiegeln. Denn sie sind mega feinfühlig und reflektieren von Natur aus einfach alle Spannungen, die wir in uns tragen.
Wenn ich mir diese Fragen alle gestellt habe und reflektieren konnte, warum ich die aktuelle Situation mit den Kindern gerade so anstrengend empfinde, dann habe ich so gut wie immer eine plausible Erklärung dafür. Allein diese Reflexionsfragen helfen mir schwierige Alltagssituationen zu verstehen und zu meistern. Da brauche ich dann keine Belohnungs- und Bestrafungsmethoden.
Interessant finde ich auch, was im Gehirn geschieht, wenn die Kinder – und auch wir – abhängig von Belohnungen sind. Die Herstellung und Freisetzung des Neurotransmitters Dopamin bewirkt den Belohnungskreislauf im Gehirn und führt dazu, dass wir angenehme Erfahrungen immer wieder wiederholen wollen. Das ist an sich natürlich nicht schlecht. Doch es gibt auch den negativen Aspekt davon, wenn Menschen verzweifelte Versuche unternehmen um diesen Belohnungskreislauf immer wieder in Gang zu setzen. Das können wir mitunter auch an unseren Kindern sehen, wenn sie verzweifelte Versuche unternehmen, um an etwas Süßes zu kommen oder um einen Trickfilm im Fernsehen gucken zu können. Ganz unabhängig davon, ob die Kinder Süßes/Fernsehzeit als Belohnung bekommen oder nicht, wird schon beim Gedanken daran der Belohnungskreislauf im Gehirn aktiviert und ihr Verhalten sowie ihre Energie verändern sich. Sie können den Konsum kaum noch erwarten und werden total zappelig.
In der Montessori-Pädagogik wird ebenfalls auf Belohnungsstrategien verzichtet. Dort geht es sogar so weit, dass auch sehr sparsam mit belohnenden Worten umgegangen wird. Zum Beispiel wird nicht jedes gemalte Bild eines Kindes gelobt, um das Kind nicht abhängig von den belohnenden Worten eines Elternteils, eines Lehrers oder einer anderen Person zu machen. Wertschätzung wird dem Kind hier auf einer anderen Art als durch belohnende Worte entgegengebracht.
Und auch folgender Aspekt ist mir wichtig: Möchte ich mit Hilfe von Belohnungen und Bestrafungen gehorsame (!) Menschen „erziehen“? Nein, möchte ich nicht. Vielleicht könnte ich mir im gegenwärtigen Moment den Alltag erleichtern. Doch das wäre für mich nur kurzfristig gedacht. Mir ist wichtig, dass meine Kinder z.B. eine bestimmte Tätigkeit unterlassen, weil sie verstehen, dass diese unangemessen ist. Und nicht, weil Bestrafungen drohen oder Belohnungen winken. Das Verstehen geht natürlich nur mit einer gewissen kognitiven Reife. Aber auch in einem jüngeren Kindesalter wäre für mich eher die Frage: Wie kann ich liebevolle Grenzen setzen anstatt mit Belohnungen und Bestrafungen zu arbeiten. Ich bin nicht der Meinung, dass aus meinen Kindern schlechte Menschen werden, weil ich sie nicht bestrafe oder „ordentlich (!) erziehe“. Denn ich habe vollstes Vertrauen, dass mein eigenes Verhalten Vorbild genug ist. Frei nach dem Motto: Ein 18-jähriger junger Mensch ist nicht so, wie er „erzogen“ wurde, sondern so wie es ihm vorgelebt wurde!
Mir ist es wichtig, dass unsere Kinder zu selbstbestimmten Menschen heranwachsen, die sich als selbstwirksam und als Subjekt wahrnehmen. Und nicht als Objekt meiner Erziehungsmaßnahmen (um es mit den Worten von Gerald Hüther zu sagen).
Was könnte aus gehorsamen Kindern werden, die alles machen, was ihnen gesagt wird? Sie könnten zu blind gehorsamen Erwachsenen werden, die sich überall anpassen und ohne zu Hinterfragen alles machen, was ihnen „von oben“ gesagt wird. Doch das ist meiner Meinung nach nicht die Lösung für die heutige Zeit, in der wir leben. Wir brauchen keine blind gehorsamen Soldaten als Erwachsene – wir brauchen kreative Köpfe, die außerhalb der Box denken können und mutig genug sind, ihren Weg zu gehen, um ihr volles Potential zu entfalten. Womit sie der ganzen Menschheit am meisten dienen.
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